Sie befinden sich hier: Home /Presse
Zeitungsbericht aus der OVZ vom 06. April 2013

Weltmeisterin schleift den Rohdiamanten


Bilder mit freundlicher Genehmigung von Herrn Ulrich Herhaus, Köln
Speerwerferin Fabienne Schönig trainiert bei Steffi Nerius und hat in diesem Jahr ergeizige Ziele.
Von Kevin Müller


LEVERKUSEN. Am Eingang des Trainingsgeländes der Leichtathleten von Bayer Leverkusen sind auf einer Tafel die Vereinsrekorde aufgelistet. Im Speerwurf hat Steffi Nerius im August 2008 mit 68,34 Metern die Bestmarke gesetzt. Inzwischen hat die Weltmeisterin von 2009 ihre Karriere beendet und widmet sich der Ausbildung junger Talente.

In Nerius‘ Fußstapfen möchte die Gummersbacherin Fabienne Schönig irgendwann gerne treten. "Das ist noch ein langer und schwerer Weg. Aber natürlich ist es mein Ziel, an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilzunehmen", sagt die 15-Jährige.
Dafür hat sie vor gut einem Jahr die Handballschuhe an den Nagel gehangen und sich ganz dem Speerwurf gewidmet. In Absprache mit Heimtrainer Bernhard Wald von der LG Wipperfürth trainiert sie in den Osterferien sogar fast täglich in Leverkusen bei Steffi Nerius. Den Fahrdienst übernimmt Vater Edwin.


»Heutzutage ist es selten geworden, dass jemand in diesem Alter solche Weiten schafft«
STEFFI NERIUS Trainerin

Nach dem Aufwärmen in der imposanten Bayer-Trainingshalle geht es bei Sonnenschein, aber kaltem Wind mit mehreren Speeren unter dem Arm raus ins Stadion. Gemeinsam mit drei weiteren Mädels, darunter Laura Darimont, die bereits zweimal an den Paralympics teilgenommen hat, steht für Fabienne Techniktraining auf dem Programm.


Trainierte in den Ferien jeden Tag in Leverkusen: Fabienne Schönig.

Dabei wird mit Nerius' Tipps an unzähligen Details gefeilt, auf die es beim perfekten Wurf ankommt. „Mehr Gefühl, nicht nur draufhämmern", „Links abdrücken und schnell nach vorne", oder „Du musst die Spitze tiefer halten", ruft Nerius der Gummersbacherin zu. Die Armhaltung, die korrekte Stellung des Handgelenks, die Schrittfolge oder die richtige Drehung des Oberkörpers - was für den Laien einfach aussieht, erfordert harte Arbeit und ist unheimlich komplex.
Trotz vieler Korrekturen ist Nerius zufrieden mit Fabiennes Entwicklung. „Das Gefühl für das Werfen, den schnellen Arm - das bringt sie mit. Sie hat tolle Veranlagungen", lobt die einstige Weltklasse-Speerwerferin.
Mit dem 600-Gramm-Speer hat die Oberbergerin im vergangenen Jahr die 48 Meter übertroffen und sich damit den Titel als Deutsche U18-Meisterin gesichert. Den 500-Gramm-Speer warf sie in diesem Jahr sogar auf über 50 Meter.

„Ich war mit 15 auf einem ähnlichem Niveau. Heutzutage ist es selten geworden, dass jemand in diesem Alter solche Weiten schafft“ erklärt Nerius, deren Mutter auch Speerwerferin war, Fabienne sei daher ein Ausnahme- talent, ein Rohdiamant, der geschliffen werden müsse. „Sie hat sich in anderthalb Jahren mit dem 600-Gramm-Speer von 34 auf über 48 m gesteigert.

Ihre Athletin beschreibt Nerius als Wettkampftyp. „Sie braucht den Nerven- kitzel, im Training muss man sie ab und zu etwas treten“, schmunzelt die
40-Jährige. Daher werden immer wieder Anreize gesetzt. „Es soll ja auch Spaß machen und kein steifes Training sein", sagt Nerius,

Während die anderen Mädels schon in der Halle verschwunden sind, muss Fabienne Schönig noch eine Extra-Schicht einlegen. Immer wieder landet der Speer knapp vor der 43,50 Meter-Marke. „Letzter Versuch", ruft Nerius, „wenn du es drüber schaffst, bekommst du ein Snickers." Die Gummersbacherin grinst: „Jetzt muss es klappen" - und wirft den Speer auf 47 Meter.

Die Chemie zwischen beiden stimmt. „Es macht mich stolz, dass sie meine Trainerin ist", sagt Fabienne Schönig über Steffi Nerius. Aufgeregt sei sie am Anfang schon gewesen. Aber das legt sich mit der Zeit. Es macht richtig Spaß.

So hat es die 15-Jährige nicht bereut, sich aufs Speerwerfen zu fokussieren. „Wenn ich bei den Mädels beim Handball zuschaue, juckt es aber in den Fingern." Doch das kann Fabienne verschmerzen, wenn sie an die anstehenden Ereignisse in diesem Jahr denkt.

Auf dem Programm stehen die deutschen U18-Meisterschaften in Rostock und die Weltmeisterschaft in ihrer Altersklasse in Donezk (Ukraine)
- vorausgesetzt, sie schafft die Qualifikation.
Die Oberbergerin hat sich aber ehrgeizige Ziele gesteckt. "Ich will über 53 Meter werfen und bei der WM unter den besten Acht landen."