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Zeitungsbericht aus der Zeitschrift Leichtathletik vom 28. Mai 2014

Olympia-Auslese in Baku

Speerwurf-Talent Fabienne Schönig will nach Platz zehn bei der U18-WM 2013 zu den Olympischen Jugendspielen. Der Weg nach Nanjing führt die Wipperfürtherin über die Qualifikation in Baku an diesem Wochenende.

 

Olympia Gefühle und Erfahrungen auf großer Bühne sammeln - das lockt U18-Athleten im August zu den Olympischen Spielen nach Nanjing. Der Weg dorthin ist jedoch weit, denn die Qualifikation ist extrem schwierig. Gute Karten beim Europaentscheid dieses Wochenende in Baku hat aber Speerwerferin Fabienne Schönig.

Beim Gedanken an die zweiten Olympischen Jugendspiele vom 16. bis 28. August leuchten Fabienne Schönigs (LG Wipperfürth) wasserblauen Augen: „man erfährt von Sportlern, die da waren, was es alles gab: olympisches Feuer, ein olympisches Dorf.“ Deutschlands beste U18-Speerwerferin will unbedingt im chinesischen Nanjing mitmischen: „je mehr Zeit vergeht, desto aufgeregter wird man!“ Die Aussicht, Erfahrung auf großer Bühne zu sammeln, sorgt für große Vorfreude, wenngleich sie weiß, dass noch eine Hürde wartet.

Mit 19 anderen DLV Talenten muss Fabienne Schönig den Europaentscheid in Aserbaidschans Hauptstadt Baku an diesem Wochenende überstehen. Wie bei der Premiere 2010 führt kein kurzer Weg zu „Jugend-Olympia“.

In der Leichtathletik wird viel stärker gesiebt als bei „normalen“ Olympischen Spielen weiß Paul-Heinz Wellmann. „Die Regularien bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen sind vorher klar festgelegt - da weiß man, wenn man zu den drei besten Deutschen gehört, ist man dabei. Hier ist das nicht so einfach, weil europäisch ausgesiebt wird“, sagt der Chef der Leichtathletik-Abteilung beim TSV Bayer 04 Leverkusen. Der TSV schickt 1.500-Meter-Läuferin Klosterhalfen in Baku ins Rennen.

Läufer müssen unter top vier >
Wie stark in Baku gesiebt wird, hängt von der jeweiligen Disziplin ab: im Wurfbereich steht Europa an der Spitze. Deshalb reicht es im Speerwurf der weiblichen Jugend aus, unter die besten sieben Sportlerinnen zu kommen, um einen Startplatz für Nanjing zu ergattern „eine definitiv machbare Aufgabe“, meint Fabienne Schönig, die 2013 eine beste Weite von 53,00 m verbuchte. Ungleich schwerer ist die Aufgabe in den Laufdisziplinen dort rennen Europäer den anderen oft hinterher. Folglich können sich im Europaentscheid - je nach Strecke - nur ein bis vier Europäer qualifizieren! Solchen Stress wird Fabienne Schönig nicht haben, ihre Saison läuft bislang gut. Die Wipperfürtherin hat sich technisch weiterentwickelt und warf bei widrigen Umständen bei der U18-Winter-DM in Sindelfingen 52,50 m. Und sie ist wetterfest! Bei Ihrem ersten Frühjahrsstart in Halle am 18. Mai gewann die sechzehnjährige bei strömenden Regen mit 53,76 m. Ein prima Vorzeichen, zumal sie erwartet, dass mit 54-55 m in Baku ein Podestplatz herausspringen könnte.


Die Wipperfürtherin ist ein absoluter Wettkampftyp und benötigt die Anspannung insofern sind Trainingswürfe von derzeit 51 m ein gutes Vorzeichen: „Wenn jetzt gutes Wetter und Adrenalin hinzu kommen dann hoffe ich, dass da einiges mehr dazu kommt.“ Mit ihrer Weite aus Halle führt die Schülerin die Weltbestenliste 2014 mit dem 500-Gramm-Speer an. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass die Statistiken in den Jugendklassen nicht immer vollständig sind.

Fabienne Schönig ist Quereinsteigerin - allerdings hat sie viel Erfahrung mit Würfen. Rund zehn Jahre spielte sie beim TV Strombach nahe Gummersbach Handball. Ihr Gymnasiallehrer Bernhard Wald entdeckte sie dann bei den Bundesjugendspielen 2010: "Im Sprint viel sie mir auf, sie lief allen Mädchen davon. Ich habe sie dann weiter verfolgt: 53 oder 54 m mit dem 200-Gramm-Ball. Das war sensationell gut!“


Wald lobt Fabienne Trainingsfleiß und Ihre professionelle Einstellung. Und die Schülerin ist stolz, noch einen weiteren Coach zu haben. Vor allem, weil es Steffi Nerius ist: „Es ist ein ganz tolles Gefühl, von einer Weltmeisterin trainiert zu werden. Sie beschreibt sehr gut und macht die Kleinigkeiten auch genau vor.“ Zweimal in der Woche trainiert Sie in Leverkusen bei der Weltmeisterin von 2009. Deren Schützling hat schon 2013 internationale Wettkampfluft geschnuppert. Bei der U 18 WM in Donetsk wurde sie Zehnte (48,29 m). Die Qualifikation hat sie mit 52,16 m sogar gewonnen.


Konzept in der Kritik >
Wenn Fabienne Schönig in Baku die Qualifikation schaffen sollte, gehört sie im August bei dem zweiten Olympischen Jugendspielen zweifellos zu einem erlesenen Feld: pro Disziplin dürfen letztendlich nur 15 Athleten starten. Hoch selektiver Leistungssport. Dabei soll Topleistung nicht alles sein. An sich schwebte IOC-Präsident Jacques Rogges beim Beschluss für eine Jugend-Olympiade im Jahr 2007 durchaus die Idee von internationaler Jugendverständigung vor. Treffpunkt der Jugend unter den fünf Ringen. Schon 2011 bei der Premiere der „YOG" in Singapur gab es kritische Stimmen unter Trainern.


Insofern wünschen sich manche Trainer, dass es in China nicht „auf Teufel-komm-raus“ um Topleistungen gehen soll. Jedenfalls will der DLV seine Talente nicht überlasten. Er wird sie im Sommer keinesfalls auf „zwei Hochzeiten“ schicken. Wer Ende Juli bei der U 20-WM in Eugene startet, fährt garantiert nicht zu Jugend-Olympia - und umgekehrt.

Gert Michalek



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